Um die Diskussion zu dieser Thematik in der Stadtverordnetenversammlung zu verstehen, ist es notwendig, etwas weiter auszuholen. Wie allseits bekannt, wurde auf dem heutigen RHI-Gelände vor mehr als 110 Jahren ein Werk zur Herstellung feuerfester Steine errichtet. Der Ort wurde gewählt, weil seinerzeit in der direkten Umgebung beachtliche Quarzitvorkommen lagerten, die als Rohstoff für die Steine benötigt wurden. Teilweise sind diese Steinbrüche noch heute erkennbar (Solarpark Buchenberg), teilweise wurden sie jedoch auch verfüllt und sind in der Landschaft einfach aufgegangen. Zur Zeit der Entstehung des Werkes waren viele Voraussetzungen, die heute unabdingbar sind, noch gar nicht existent (Baurecht im heutigen Sinne, Immissionsschutzgesetz usw.). Auch als nach dem zweiten Weltkrieg in der Bieneckstraße von der Firma Werkswohnungen gebaut wurden, geschah dies unter völlig anderen Voraussetzungen, als sie heute gelten würden. Kurzum, eine heutigen Anforderungen genügende Bauplanung hat es nie gegeben. Nun stellt die SPD-Fraktion seit über dreißig Jahren den Bürgermeister und hat die Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung; es war also ausreichend Zeit, um einen ungewissen Zustand in eine stabile Lösung zu überführen, aber nichts geschah.
Bewegung kam in die ganze Sache erst, als im 2. Halbjahr 2020 mehr und mehr durchsickerte, dass der jetzige Eigentümer des Werkes, das in Österreich ansässige Unternehmen „RHI Magnesita“, beabsichtigte, zunächst bis Ende 21, dann in Teilen versetzt bis Ende 22 endgültig zu schließen. Da Niemand wusste, wie es danach mit dem Werk und dem zugehörigen Gelände weitergehen sollte, zog die Stadtverordnetenversammlung sozusagen mit Beschluss vom November 2020 die „Notbremse“
So heißt es in dem seinerzeitigen Aufstellungsbeschluss: “Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Staufenberg beschließt gemäß §2 Abs. 1 Baugesetzbuch die Aufstellung eines „Gewerbepark Schamott“ im Stadtteil Mainzlar… Ziel ist es, durch die Aufstellung des Bebauungsplanes eine neue städtebauliche Ordnung zu schaffen, indem das Gelände des ehemaligen Didierwerkes und die umgebende Wohn- und Mischbebauung bauplanungsrechtlich gesichert und zukunftsfähig entwickelt werden sollen“. (Man beachte in diesem Zusammenhang das Wort ehemalig, obwohl das Gelände ja noch voll und ganz zu RHI gehörte.)

Dieser Beschluss diente dann als „Vehikel“ für einen zweiten Beschluss: „Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Staufenberg hat gemäß § 2 Abs. 1 Baugesetzbuch die Aufstellung eines „Gewerbepark Schamott“ im Stadtteil Mainzlar beschlossen. Zur Sicherung der Planung wird hiermit eine Veränderungssperre erlassen und gemäß § 16 Abs. 2 BauGB veröffentlicht“ (Grob gesagt bedeutet dies, dass Eigentümer einer baulichen Anlage diese nicht mehr verändern dürfen (Erweiterung, Umbau, Abriss).
Will man es vereinfacht und vergröbernd ausdrücken, war damit RHI die Verfügung über das Gelände entzogen.
Die Stadt gab dann auch eine sogenannte „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag, die Möglichkeiten der Entwicklung des Geländes nach „Auszug von RHI“ aufzeigen sollte. Das Ergebnis dieser Studie wurde in der Stadtverordnetenversammlung im Mai 22 präsentiert. Ein beispielhafter Auszug aus dieser Studie ist diesem Text als Anlage beigefügt. Man sieht dort sehr gut, dass das Gelände völlig umgeplant wurde. Mitten durch die heutige Fabrik geht eine Erschließungsstraße, die großen Fabrikhallen sind einer kleinteiligen Bebauung gewichen. Laut Auskunft des Bürgermeisters soll es auch noch eine „Nullversion“ der Studie geben, die von einer Weiterführung des Werkes ausgeht; diese Version ist dem Parlament jedoch bisher nicht vorgestellt worden. Entscheidend ist hier, dass all diese Überlegungen ohne jegliche Beteiligung von RHI angestellt wurden, was aus damaliger Sicht noch nachvollziehbar war. Außerdem -dies sei am Rande vermerkt – hat diese Machbarkeitsstudie in all ihren Varianten keine Lösung dafür aufzeigen können, wie der LKW Verkehr von DPD aus dem Wohngebiet herausgenommen werden könnte.
Nun hat sich im Frühsommer 22 durch die Entscheidung von RHI, das Werk in Mainzlar entgegen früheren Planungen nicht nur fortzuführen, sondern sogar noch auszubauen, eine völlig neue Situation ergeben, die nach unserer Meinung auch die Beschlüsse von 2020 sozusagen ad absurdum führt. Wir haben deshalb nichts anderes beantragt, als diesen fundamental veränderten Gegebenheiten Rechnung zu tragen und eine Beschlusslage herbeizuführen, die die jetzt eingetretenen Erkenntnisse auch sachgerecht abbildet. Unser Antrag lautete deshalb:
„Hiermit beantragen wir, die in Auftrag gegebenen Planungen zur Umgestaltung des bisherigen RHI-Geländes zunächst nicht weiter zu verfolgen. Zusätzlich sollte seitens der Verwaltung geprüft werden, inwieweit es zweckmäßig wäre, die bisher geltende Veränderungssperre für das RHI- Gelände aufzuheben.“
Wir sind der Meinung, dass es keinen Sinn mehr macht, an einer Sache festzuhalten, deren Grundlage entfallen ist. Ziel muss es jetzt sein, gemeinsam mit RHI zu einer rechtssicheren Gesamtplanung zu kommen und dabei den Interessen des Werkes in angemessener Form Rechnung zu tragen. Es kommt hinzu, dass in § 17 Abs.4 BauGB geregelt ist „eine Veränderungssperre ist vor Ablauf der Frist teilweise oder ganz außer Kraft zu setzen, sobald die Voraussetzungen für ihren Erlass weggefallen sind“. Dass dies im hier vorliegenden Fall zutrifft, dürfte unstreitig sein.
Leider konnten wir uns mit unserem Antrag nicht durchsetzen. Allerdings wollte die Mehrheitsfraktion offensichtlich den Antrag auch nicht ablehnen. Deshalb lief das Ganze darauf hinaus, dass die Verwaltung einen weiteren Vorschlag zur nächsten Sitzung unterbreiten soll und wir dann prüfen, ob darin unserer Intention Rechnung getragen wird. Wenn man sich einzelne Redebeiträge der gestrigen Sitzung anhören musste, so kann man sich nur wundern. So wurde zum Beispiel ernsthaft behauptet, die bestehende Veränderungssperre würde die vorhandene Rechtsunsicherheit verringern. Das ist etwa so überzeugend, wie wenn ich eine Veränderungssperre für ein im Parkverbot stehendes Auto verhänge, um damit zu verhindern, dass es abgeschleppt werden kann. Wir werden jedoch weiterhin alles versuchen, um sowohl im Interesse der Stadt als auch von RHI zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.

Berndt Dugall

« Stadtverordnetensitzung am 27.09.22 Schienengüterverkehr zur RHI Mainzlar »

Jetzt teilen: