Text und Rede: B. Dugall

Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
Sehr geehrte Mitglieder des Magistrats,
Verehrte Anwesende,

Nach einer seit der Reichsgründung 1871 gerade auch von der Sozialdemokratischen Partei vertretenen und allgemein geltenden Auffassung ist das Budgetrecht, somit die Debatte und Beschlussfassung über den Haushalt, eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben eines Parlaments. Auch in der Haushaltsrede unseres Bürgermeisters aus der letzten Sitzung heißt es ausdrücklich „eine ausführliche und kontroverse Debatte entspricht der Bedeutung eines Haushaltsentwurfs“.
Von daher gestatten sie mir zunächst die Vorbemerkung, dass ich über die letzte Sitzung des HFA nicht nur verwundert, sondern in gewisser Weise auch erschüttert war. Außer von unserer Fraktion wurden zum vorliegenden Haushaltsentwurf keine Fragen gestellt und keine Diskussionen angestoßen. Es gab lediglich die Aussagen, man habe alle offenen Fragen mit dem Bürgermeister beim Mittagessen geklärt, bzw. in einer internen Sitzung besprochen. Gerade ein so wichtiger Punkt wie die Beschlussfassung über einen Haus-halt sollte jedoch in öffentlicher Debatte mit sachlicher, aber fundierter Auseinandersetzung auch in diesem Parlament geschehen. Dem Außenstehenden blieb so nicht verborgen, dass einigen Stadtverordneten die Diskussion über eine gendergerechte Feuerwehrsatzung wichtiger erschien, als eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Haushaltsentwurf.

Kommen wir aber nun zu unserem Entwurf. Es ist eine Tatsache, dass nun zum wiederholten Mal ein Haushalt zur Beschlussfassung ansteht, der mit einem Defizit (konkret 807.450 €) ab-schließt, und auch die Prognose für 2023 lässt kein positives Ergebnis erwarten. Der Hinweis auf einen trotzdem ausgeglichenen Haushalt wird mit Verweis auf die vorhandenen Rücklagen in Höhe von über 7 Millionen Euro hergestellt. Was hierbei jedoch keine Erwähnung findet ist die Tatsache, dass diesen Rücklagen auch noch eine Verschuldung in Höhe von 7,4 Mio. € gegenüber steht, so dass wir also tatsächlich eher „von der Hand in den Mund“ leben. Nun kann man argumentieren, dass in Zeiten, in denen ein neuer Finanzminister für den Bund einen Nachtragshaushalt vorlegt, dessen Struktur er als Oppositionsführer noch als „verfassungswidrigen Taschenspielertrick“ bezeichnet hat, es auf solche Feinheiten der Herstellung eines Haushaltsausgleichs auch nicht mehr ankommt.
Wir verkennen nicht, dass die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung sich außerordentlich Mühe gegeben haben, ein umfassendes und in Teilen auch komplexes Zahlenwerk vorzulegen, dessen Ausgestaltung ja zwangsläufig politischen Vorgaben folgen muss. Lassen sie mich deshalb zunächst ein paar grundlegende Sachverhalte betrachten. Wenn man sich die Zahlen anschaut, bleiben der Stadt nach Abzug der zu zahlenden Umlagen und der Schuldentilgung etwas über 6 Mio. Euro als tatsächliche Gestaltungsmasse, wobei jedoch auch hier der größte Teil durch gesetzlich festgelegte Vorgaben gebunden ist. Nehmen wir aber diesen „Gestaltungsspielraum“ von 6 Mio. € einmal als gegeben an. Dann fällt auf, dass wiederum die Hälfte davon allein dazu verwendet werden muss, das entstehende Defizit im Be-reich der Kindertagesstätten aufzufangen. Ich möchte hierzu nur wenige Zahlen beleuchten, die ganz sicher nicht als Kritik, sondern lediglich als tatsächliche Beschreibung eines sicherlich unbefriedigenden Sachverhalts aufzufassen sind. In seiner vergleichenden Prüfung 2020 (225. Vergleichende Prüfung Haushaltsstruktur 2020 Städte und Gemeinden II) hatte der Rechnungshof auf Basis der Zahlen von 2019 der Stadt hinsichtlich der Kindertagesstätten mit einer Deckungsquote von 49% ein gutes Zeugnis ausgestellt. Nun hat sich in den wenigen Jahren danach viel verändert. Während der Verlust in diesem Bereich 2020 noch bei 2,14 Mio. € lag, wird er 2022 auf 2.903 Mio. € anwachsen; ein Anstieg um 35% in nur 2 Jahren. Da die Einnahmen jedoch nicht mitgewachsen sind, ist die Deckungsquote somit auf 39,5% gesunken. Und mit der Umsetzung des „Gute-Kita-Gesetzes“ werden weitere Kostensteigerungen unvermeidbar sein. Allein der geforderte Ausbau der Leitungsstruktur in diesem Bereich wird die Stadt weitere 350.000 € kosten.
Nun müssen auch wir einräumen, dass wir kein Patentrezept zur Lösung dieses Dilemmas haben. Weil das aber so ist, ist es umso dringlicher, in allen anderen Bereichen darauf zu schauen, was möglich und machbar ist, aber auch welche Prioritäten zu setzen sind. Eine sicherlich einfache Lösung liegt auf den ersten Blick darin, die Einnahmeseite zu erhöhen. Hier gibt es aber einige Positionen, auf die dieses Parlament keinerlei Einfluss hat (Schlüsselzuweisungen des Landes, Gemeindeanteile an Einkommens- und Umsatzsteuer usw.) Also bleiben diejenigen Steuern, die von diesem Parlament selbst beeinflusst werden können, zwar nicht dem Grunde, aber der Höhe nach, also im Wesentlichen Grund- und Gewerbesteuer. Hier liegen wir – und ich komme zurück auf den Vergleich des Rechnungshofs - mit unseren Hebesätzen schon über dem Durchschnitt. Außerdem wird, und dies wird auch von uns ausdrücklich mitgetragen, für 2022 explizit auf eine Erhöhung der Hebesätze verzichtet. Zitat aus der Haushaltsrede des Bürgermeisters „Hebesätze Grund- und Gewerbesteuer können unverändert bleiben“. Wer den Haushaltsentwurf jedoch genau liest, stellt fest, dass dort in diesen Satz das Wörtchen „noch“ zusätzlich eingefügt wurde. Was dies dann für die kommenden Jahre bedeuten könnte, muss man abwarten. Unsere Schwäche, dies müssen wir einfach auch der Rechnungshofübersicht entnehmen, liegt in einer für die Struktur der Kommune zu geringen Einnahme aus Gewerbesteuern.
Ganz konkret bemängeln wir an diesem Haushaltsplanentwurf das Investitionsprogramm, welches ja ganz bewusst darauf ausgelegt ist, die Entwicklungen nicht nur eines Haushaltsjahres, sondern eine mehrjährige Perspektive aufzuzeigen. Bevor sie sich nun wieder zurück-lehnen und sagen, „aha die CDU ist also gegen Investitionen“ sage ich ihnen gleich, nein, sie ist es nicht.
Wir erwarten aber, dass bei den ausgewiesenen Vorhaben realistisch und einigermaßen belastbar geplant wird. Ich möchte hier drei Beispiele herausgreifen, um deutlich zu machen, worum es uns geht.
Nehmen wir die Maßnahme 2009 5100 Gewerbegebiet Didier: Hier wird von einer Inbetriebnahme dieses Gebietes 2022 ausgegangen, so dass nach Abzug aller Kosten aus dem Verkauf der Grundstücke ein Erlös von 92.500 € in der Stadtkasse verbleiben soll. Wir wissen aber inzwischen, dass zumindest ein wesentlicher Teil aufgrund der Hochwasserproblematik gar nicht genutzt werden kann, womit diese Maßnahme zumindest deutlich kleiner ausfallen dürfte, vielleicht jedoch auch gänzlich in sich zusammenfällt.
Schauen wir als Zweites auf die Maßnahme 2209 5100 Baugebiet an der Roede, Treis. Hier sind für 2022 Erschließungskosten von 208.000 € und für 2023 463.000 € eingesetzt, die dann für 2023 zu einem Erlös von 660.000 € führen sollen. Bisher gibt es jedoch für diesen Bereich überhaupt noch keinen Bebauungsplan.
Nehmen wir als weiteres Beispiel die Sanierung der Sport- und Kulturhalle Treis. Zwar liegt noch kein Beschluss über die Maßnahme vor, es ist jedoch Konsens, dass zumindest eine Sanierung das Minimum an notwendiger Veränderung darstellt. Hierfür gibt es eine allen bekannte Kostenschätzung in Höhe von 1,875 Mill. Euro. Im Haushalt 2022 finden sich jedoch lediglich ein Ausgabeansatz von 100.000 € und für das Jahr 2023 weitere 800.000 €. Aus unserer Sicht wäre es aber unabdingbar, zumindest die zu erwartenden Kosten für die Sanierung auch realistisch im Investitionsprogram zu veranschlagen, was jedoch nicht geschehen ist.
Es würde zu weit führen, diese Liste jetzt zu verlängern. Die aufgeführten Beispiele sind für uns aber hinreichender Beleg dafür, die Planung als unvollständig und in Teilen auf „sehr wackligen Füßen stehend“ zu charakterisieren.
Wir werden deshalb dem vorgelegten Entwurf nicht zustimmen.
Ich möchte mir aber erlauben, aus meiner persönlichen Sicht noch ein anderes Thema anzuschneiden. Im Investitionsprogramm – Maßnahme 2201 1101 sind 250. 000 € für Softwarebeschaffung vorgesehen. Nun bin ich der Letzte, der sich einer weiteren Digitalisierung der Verwaltung verschließen möchte. Was mich nur stutzig gemacht hat, ist der Umstand, dass es auf diesem Feld offensichtlich keinerlei Bemühungen gibt, zumindest innerhalb der Kreiskommunen zu einer Einheitlichkeit zu kommen.
Auf meine Frage, wer die ausgewählte Software denn sonst noch einsetzt, antwortete man in der letzten HFA Sitzung nach längerem Nachdenken Alsfeld und Offenbach, Kommunen, mit denen wir rein gar nichts zu tun haben.
In meinem beruflichen Leben bestand eine meiner Abteilungen aus einem Rechenzentrum mit ca. 30 Informatikern. Dort wird zentral eine Software betrieben, an die alle hessischen Hochschulen und auch Teile des Landes Rheinland -Pfalz angeschlossen sind, wobei diese zentrale Software durch 6 Lokalsysteme, die insgesamt über 100 Einrichtungen versorgen, ergänzt wird. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, unterschiedliche Institutionen, die viel auf Autonomie achten, zu einem einheitlichen Vorgehen zu bewegen, aber es ist durch geduldige und zielgerichtete Information und Kommunikation gelungen. Ich verstehe deshalb nicht, worin der Sinn liegen soll, wenn jede Kreiskommune eine eigene, mit den Nachbarn inkompatible IT einsetzt. Hier würde ich mir wünschen – und dies ist ausdrücklich mein persönlicher Wunsch, dass mehr Rationalität und weniger Emotionalität die Entscheidungen beeinflussen würde.
Für die Fraktion:

B. Dugall (Vorsitzender)

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