“Problematisch wird es immer, wenn sich die Leute abgehängt fühlen, weil sie nicht mehr nachvollziehen können, was um sie herum passiert - wir wollten in diesem Sinne heute etwas Licht ins Dunkle bringen”, so erklärte Staufenbergs CDU-Chef Christian Lemmer abschließend den Kerngedanken der Veranstaltung. Vorangegangen waren zwei Vorträge und eine lebhafte Debatte rund um die Themen Gesundheit, Ärzteversorgung, demografischer Wandel und, aus Treiser Sicht in den letzten Wochen besonders sorgenvoll betrachtet, die Zukunft der heimischen Hausarztpraxis.

 

Das ganze nannte die CDU dann Gesundheitsforum und hatte dazu den Landtagsabgeordneten und Facharzt Dr. Ralf-Norbert Bartelt sowie den Abteilungsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH), Carsten Lotz, ins Lumdatal eingeladen. Auch Landratskandidat Gregor Verhoff zeigte sich erneut in Staufenberg präsent. Lotz stellte den so genannten Regionalen Gesundheitsreport für den Landkreis Gießen vor (auch im Internet auf der Seite des Hessischen Sozialministeriums abrufbar), der aktuell eine mehr als auskömmliche Versorgungssituation bescheinigen konnte. Manche Regionen in Hessen hätten dagegen bereits eine Versorgung unter 100 Prozent zu beklagen. Jedoch seien durch den demografischen Wandel auch bei uns bereits Tendenzen zu erkennen, wie die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen, die absehbar mangelnden Apotheker und die immer älter werdenden Hausärzte. So würden im Gießener Land voraussichtlich 72 Hausärzte eine Nachfolge bis zum Jahr 2020 suchen und 161 Altenpfleger würden darüber hinaus zur Aufrechterhaltung gebraucht. In diesem Sinne seien Studien wie diese und ein enger Schulterschluss mit dem Land Hessen notwendig, um diese Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und dann entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.

 

Eine Frage zu einer bestimmten Maßnahme beschäftigte Staufenbergs Fraktionsvorsitzenden Wilfried Schmied. Der hatte nämlich eher unglückliche Erfahrungen mit dem im letzten Jahr umstrukturierten Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) gemacht. Wie Lotz offen eingestand, sei es durch zu wenig Personal, technische Probleme und die jüngste Grippewelle tatsächlich zu gewissen Schwierigkeiten gekommen. Mittlerweile habe man die telefonische Bereitschaft aber fest im Griff - bei akuten Problemen würden auch Termine zu Fachärzten zeitnah vermittelt. Eine fachkritische Stimme aus den Zuschauerreihen war dazu von Dr. Uwe Speier zu hören, seines Zeichens Obmann für den Bereich Lollar/Staufenberg/Lumdatal des ÄBD-Mittelhessen. Er erklärte, die vier Notdienstzentralen hätten in Kooperation mit Ärzten und Johannitern gut funktioniert. Heute sei das Stundenhonorar von zuvor 50 auf 40 Euro gesenkt worden, damit verliere man Ärzte für den ÄBD. „Wir wollen unsere Strukturen wieder haben“, appellierte Dr. Speier an Carsten Lotz. Dieser stellte fest, dass die Vertreterversammlung den Beschluss für zwei Callcenter in Kassel und Frankfurt gefasst habe. Er selbst wüsste durchaus um die gute bisherige Funktionsweise.

 

Dr. Ralf-Norbert Bartelt betonte eingangs die enge Zusammenarbeit mit der KVH und ihre wichtige Rolle für eine qualifizierte ambulante Versorgung, gleichwohl sei man in Einzelfragen nicht immer einer Meinung. „Eine gute Freundschaft hält auch das aus“, bemerkte der Abgeordnete schmunzelnd. Insgesamt sei die Gesundheitsversorgung in Hessen und Deutschland europaweit vorbildlich, vor allem hinsichtlich der Effizienz und den Zugangsmöglichkeiten der Bevölkerung. Auch die Anzahl der Ärzte und Praxen sei unter dem Strich noch sehr hoch, nur die Verteilung zwischen Großstadt und ländlichem Raum stehe stellenweise in einem Missverhältnis. Dazu komme die ungünstige Altersverteilung der niedergelassenen Ärzte. Gerade in diesem Bereich sollten die Kommunen im Rahmen ihrer Möglichkeiten für junge Hausärzte werben und damit wertvolle Standortfaktoren festigen. Dazu wies der ausgebildete Hautarzt auf das Förderprogramm des Landes Hessen für Praxisgründungen auf dem Land hin: 50.000 Euro erhalten willige Mediziner demnach als Zuschuss.

 

Stadtrat Rudolf Herzberger fragte im Hinblick auf die noch nicht abschließend geklärte Situation der Hausarztpraxis in Treis, ob diese denn „einfach woanders hinverlegt“ werden könne. Immerhin verliere Treis damit seinen Arztsitz und dies käme doch einem unmittelbaren Nachteil gleich. Lotz erklärte, darüber habe der Zulassungsausschuss zu entscheiden, nicht die KVH (obwohl man das selbe Gebäude nutze). Dieser Ausschuss trifft dann eine Ermessensentscheidung mit dem Ziel, die Patientenversorgung nicht deutlich schlechter zu stellen. Die Entfernung von Treis zu Allendorf/Lumda würde z.B. wohl noch im Toleranzbereich liegen, sprich genehmigt werden. Der viel entscheidendere Punkt seien jedoch die Ärzte selbst: Letztlich seien auch sie Unternehmer und müssten wirtschaftlich denken. Entschließe sich ein Arzt innerhalb dieser oder einer ähnlichen Entfernung zu einem Umzug, könne ihn weder der Zulassungsausschuss und schon gar nicht die KVH daran hindern. Der Treiser Ortsvorsteher Roland Ehmig sieht hier bereits seine Felle wegschwimmen – er glaubt gar, die Ärztinnen hätten wohl bereits ihre Entscheidung gegen Treis gefällt. Allendorfs Erster Stadtrat Ernst-Jürgen Bernbeck konnte diese Befürchtung etwas mäßigen. Er berichtete, die beiden Allendorfer Hausärzte hätten derzeit eigene Immobilien und wären auch „nicht mehr die Jüngsten“, so dass der kurzfristige Umzug in ein noch zu bauendes Ärztezentrum in Allendorf eher unwahrscheinlich sei. Hier würde sich Gießen aufgrund des Patientenaufkommens dann wohl schon eher lohnen.

 

Bemerkenswert blieb das gegenseitige Geständnis der beiden Kommunalpolitiker Bernbeck und Ehmig am Schluss, nachdem bereits intensiv über die bevorzugte Versorgung vor Ort gesprochen wurde: Demnach besuche Ehmigs Frau nämlich einen Arzt in Allendorf und Bernbeck wiederum die Ärztinnen in Treis.

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